Liebe war nie ein Thema

Als ihr der unerwartete Hype um das Gustav-Debut “Rettet die Wale“ über den Kopf wuchs, verweigerte sich Eva Jantschitsch einfach. Sie sagte Konzerte ab und vermied die Öffentlichkeit. Eine Zeit lang spielte sie sogar mit dem Gedanken, ganz mit der Musik aufzuhören. Nun meldet sie sich mit ihrem zweiten Album „Verlass die Stadt“ frischer und politischer denn je zurück. Ein Gespräch über Feindbilder, Ambient-Alben und Subversion.

„Das Projekt „Gustav“ war für mich immer eine sehr integere Geschichte, die den Verwertungsmechanismen des Musikbusiness nicht entsprechen sollte.Den schnellen Nachfolger, die Einhaltung der empfohlenen Schritte – das alles durfte es nicht geben“, erzählt Eva in einem Wiener Innentstadt-Cafe.
Um der Unterwerfung unter die Bilderbuch-Karriere zu entgehen, blieb dann nur die Verweigerung. „Kurz nach dem Amadeus-Auftritt, der den Höhepunkt in Österreich markierte, wollte ich einfach nicht mehr.“
Die eine oder andere Absage tue ihr auf persönlicher Ebene heute noch leid. Geschenkt. Wer klare Grenzen zieht, gilt schnell als schwierig. Außerdem gelang Eva Jantschitsch mit „Verlass die Stadt“ etwas, was man so nicht mehr für möglich hielt: unangestrengter politischer Pop auf der Höhe der Zeit.

 

Eine Zeit lang sah es so aus, als würde Rettet die Wale“ Deine einzige Platte bleiben. Warum nun doch ein zweites Album?
Gute Frage. Ich hab in der Zwischenzeit für meine Begriffe viel gespielt. Irgendwann hatte ich dann einfach neue Nummern und es stellte sich die Frage, wie man die wieder in einer neuen Arbeit zusammenfassen kann.

Mit Deinem „Hier leben? Nein Danke“-Ausspruch bei der Amadeus-Verleihung hast Du Dir nicht unbedingt viele Freunde gemacht….
Das war aber auch nicht meine Intention.

Kann man die Vereinnahmung verhindern, indem man sie so bricht?
Man kann Grenzen setzen oder sie zu setzen versuchen. Ich kann durchaus bestimmen, wo und unter welchen Bedingungen ich stattfinden will. Komischerweise wird dir diese Macht von allen Seiten abgesprochen. Sogar von Teilen meines Freundeskreises wurde mir immer vorgehalten: Du musst die Chance nützen. Es gäbe doch eh so wenige Frauen. Einerseits ist es also diese Suche nach einem Stellvertreter, andererseits ökonomische Überlegungen, die dich drängen.

Gehen wir zum neuen Album. In „Abgesang“ heißt es „Rebelliere im Stillen, diskutiere banal. Wenn du vieles verlierst, ist dir vieles egal“. Der Song steht programmatisch wohl bewusst am Anfang des Albums.
Ja. Die Nummer über Denkflucht bot sich als Anknüpfungspunkt an, um die Geschichte weiter zu erzählen Sie entstand schon 2001 als erste Gustav-Nummer überhaupt und war damals auf die blau-schwarze Regierung gemünzt. Für die jetzige Version habe ich Schüssel einfach durch Schlüssel ersetzt.

Spontan ist mir dazu „Kapitulation“ von Tocotronic eingefallen. Das Bild einer Generation, die sich langsam damit abfinden muss, nichts mehr ausrichten zu können gegen den alltäglichen Stumpfsinn und globalen Wahnsinn hat offenbar den Zeitgeist erreicht. Ist das nicht unglaublich zynisch?
Ich empfinde die Nummer weniger zynisch als einfach nur traurig.

Und ist die Lage tatsächlich so aussichtslos?
Natürlich nicht. Für mich persönlich waren die 00er Jahre sehr explosiv. Mir ging das Material, an dem ich mich reiben kann, jedenfalls nie aus. Irak-Krieg, World-Trade Center, Blau-Schwarz, Bush, Blair: Diese Feindbilder haben sich bewährt. Mittlerweile wurde das Politische in Österreich wieder etwas gediegener, aber im Zuge der letzten Jahre ist der neo-liberale Geist so in unsere Identitäten einverleibt worden, dass die totale Überwachung und Kontrolle deines privaten Lebens durch marktwirtschaftliche Überlegungen die Folge war.

Und diese Situation gilt es zu bereinigen?
Zumindest der Zustand, dass es nicht mehr sichtbar ist, sondern sich in dir selbst und deinen Handlungen versteckt, muss wieder sichtbar gemacht, die politische Verantwortung, die die Politik an den Markt abgegeben hat, wieder eingefordert werden.

Ist politische Kunst im Pop heute nicht unglaublich anachronistisch?
Ich glaube, egal wo politische Kunst stattfindet, ist sie immer anachronistisch. Aber es ist auch meine einzige Möglichkeit. Mir ist es nach wie vor eine innere Notwendigkeit, mich sprachlich mitzuteilen. Und auch der Überlegung, wann man wo stattfindet, in welchem Kontext man auftritt, wie man Kontexte brechen kann, muss ich mich stellen. Wenn man stets die Strukturen mitdenkt, was natürlich viel an Impulsivität und Unmittelbarkeit verhindert, und genau auswählt, ist das auch ein politischer Akt.

Glaubst Du persönlich noch an die subversive Kraft von Musik?
Ich bin selbst jemand, der mit Musik aufgewachsen ist und dem sie unglaublich viel gegeben hat. Wenn gar nichts mehr geht, höre ich auch heute noch Ton Steine Scherben. Ja. Ich glaube an die Bewusstmachung.

Gibt es auch Dinge, die man ausblenden muss, um weiter machen zu können?
Verdrängung gehört schon auch dazu. Sich ständig Gedanken zu machen, mit wem ich jetzt sprechen kann und mit wem nicht, was zu sagen in dem Rahmen OK ist, in einem anderen wieder nicht, ist ja unfassbar anstrengend. Dieser selbst auferlegte Verhaltens-Codex engt ungemein ein.

War die Wahl von Chicks on Speed als neues Label eine bewusste?
Unbedingt. Disko B ist eine Firma, die mit wirtschaftlichen Interessen handelt, selektiert und ein ganz klares Profil seiner Künstler erstellt. Bisher war Gustav ein aus innerer Notwendigkeit entstandenes Liebhaberprojekt. Da fand ich es unheimlich spannend, in eine Struktur zu wechseln, die diese Liebhaberei professionalisiert. Ich möchte mich ja auch weiter entwickeln.

Glaubst Du, Die neues Album wird ähnlich hypen wie Dein erstes?
Kaum. Ich habe mit meinem ersten Album offenbar zufällig die richtigen Themen getroffen. Dann funktioniert es plötzlich, während sich andere Jahrzehnte lang abarbeiten, interessante Kunst machen, die letztlich an der Verwertungsmaschinerie abprallt. Das richtige Produkt zur rechten Zeit – dieses Timing kann man sich aber nicht aneignen. Es zur Methode zu machen, wäre wohl auch schlecht. Im Wesentlichen hat ja doch jeder nur zwei, drei Themen, an denen er sich abarbeitet.

Die wären bei Dir?
Feminismus, Geschlechtsidentität und -konstruktion. Liebe war zum Beispiel nie ein Thema. Damit habe ich mich noch nie auseinander gesetzt. Allerhöchstens in dieser romantischen Vorstellung von Liebe, der heterosexuellen Konstruktion monogamer Zweierbeziehung. Aber Liebe war nie ein Thema. Sie interessiert mich einfach nicht.

Stichwort Feminismus. Einerseits thematisierst Du das Frauenbild („Total Quality Woman“), andererseits muss man es doch auch ausblenden, um nicht als Frau, die Musik macht, sondern als Musikerin wahrgenommen werden. Ein Widerspruch?
Nein, nur schwierige und harte Arbeit. Und sie ist auch nur deshalb so hart, weil Männer sich mit ihrer Männlichkeit inhaltlich nicht auseinandersetzen. Deshalb entsteht erst ein solches Ungleichgewicht. BulBul haben mit ihren Performances gezeigt, dass man als Mann sogar im „Beidlrock“ die eigene Geschlechtlichkeit hinterfragen kann. Aber grundsätzlich ist das leider immer noch Frauenarbeit und ein Frauenthema.

Begegnen Dir als Musikerin Sexismen?
Klar. Auf vielen Venues wird zuerst der Gitarist angesprochen, ich hingegen werde erst mal ignoriert. Oft werde ich auch als „Mädl“ angesprochen. Manche fragen auch, wer eigentlich die Musik macht, das heißt ich werde als reine Sängerin wahrgenommen. Kein Wunder aber, denn wenn Du an solchen Stätten Frauen antriffst, dann als Kellnerin.

Was planst Du als nächstes?
Ich habe vor, gleich das nächste Album aufzunehmen. Ein Ambient-Werk mit dem Titel „Hallo Knallo“.

Wieso ein Ambient-Album?
Ganz einfach, weil ich mir mit meinen Texten auch oft selbst im Wege stehe. Es reizt mich einfach, einmal einen dieser Loops einfach Loop sein zu lassen, d.h. etwas vermehrt in den Blickwinkel zu rücken, was sonst immer zugekleistert wird, Klangmuster strategisch zu setzen und so ein spannendes Ding zu erzeugen. Sprache ausklammern und trotzdem Inhalte vermitteln.

Klingt nach einer Art Befreiung?
Als Musikerin bin ich teilweise von der Texterin genervt. Dieses ständige Zutexten ist doch geradezu krankhaft! Auf „Hallo Knallo“ werde ich diesen Zwang abstreifen.

Dem Zwang könnte man doch auch durch Kooperationen entgehen.
Schon, aber ich bin und bleibe eine Einzelkämpferin.

Vielen Dank für das Gespräch.