Frisch und heiß

Ernst Moldens letztes Album „Ho Rugg“, wurde, trotzdem es die heimischen Radios kaum spielten, zum stillen Verkaufshit. Sein nächstes, ein „Unser Österreich“ genanntes Austropop-Album mit dem Nino aus Wien, könnte ein ebensolcher werden. Der Liedermacher über die gewisse Beharrlichkeit, Haltung und Herumtreiberei.

Beim letzten Popfest hat mich jemand gefragt, warum ich Ernst Molden so gut fände, und ich hab spontan geantwortet, weil er einer der letzten „Vollerwerbsbauern“ sei. Einer, der nur von der Musik lebt und sein Ding einfach durchzieht. Und das – der Musiker, der geradlinig seine Sache durchzieht und davon leben will und auch kann – ist ja eine vom Aussterben bedrohte Gattung. Wie schwer oder leicht war dein Weg?
Wenn man das, was du gesagt hast, vom Sinn her ein bisschen erweitert als „Gschichtldruckn“ versteht – ich habe ja auch meine Kolumne, schreibe hie und da für ein Buch – bin ich „Vollerwerbsbauer“, ja. Lange Zeit aber war ich Tagelöhner. Am Anfang hast du ja keinen Bauernhof, sondern nur ein paar Samen in der Hand. Du kannst nur aussäen und hin und wieder nachschauen, ob in der Zwischenzeit etwas gewachsen ist. Dass jetzt, um beim Bild zu bleiben, tatsächlich ein landwirtschaftlicher Betrieb daraus geworden ist, ist ein Glück und eine Gnade. Es rennt seit fünf, sechs Jahren wirklich gut, davor war es aber fünfzehn Jahre sehr schwer und lief nur unter Gefährdung meiner Existenz. Heute könnte ich von der Musik leben, ja, und ich müssten auch keine Kolumnen mehr schreiben. Aber es war so lange so schwierig, dass ich mir denke, dass das jetzt vielleicht nur eine Gnade für ein paar Jahre ist. Vielleicht ist es schon bald wieder vorbei. Momentan aber herrscht ein günstiges Klima, für die Musik die ich mache. Das war auch nicht immer so.

Inwiefern bzw. wie erklärst du dir das?
Als ich begonnen habe, war die Wiener Elektronik en vogue. Da gab es nichts Skurrileres, als das, was ich mache. Ich habe damals aber nichts anderes können und daher einfach mit einer gewissen Beharrlichkeit weiter gemacht. Geschuldet auch meiner lieben Frau, die ich damit immer berühren und erfreuen konnte. Es gab Jahre, da habe ich meine Musik hauptsächlich für sie gemacht. Ihr hat es immer gefallen und ihr gefällt es auch heute noch.

Dein größter Fan?
Ja. Aber man muss ganz generell immer dankbar für den Moment sein. Das sage ich auch meinen Kollegen. Jedes Konzert, das man spielt, ist ein Segen. Mir ist es immer mehr um das live Spielen gegangen. Ich zwar auch gerne im Studio, aber ich bin mehr Performing- als Recording-Artist gewesen. Ich habe ja ein Vorleben als Romanschriftsteller – das war Mitte der neunziger Jahre. Ich mache das jetzt nicht mehr, weil es sich einfach nicht ausgehen würde. Von der Musik her schon, aber mit den Kindern nicht. So wie ich Romane schreibe, brauche ich dafür acht bis zwölf Stunden pro Tag. Ich wollte nicht immer die Tür vor den Kindern zumachen müssen, so wie es mein Vater gemacht hat. Momentan spiele ich so gerne, dass es mir auch nicht abgeht.

Du hast die schwierige Situation angesprochen, als du mit Dialekt-Liedern anfingst…
Ja, ich musste mich eine Zeit lang der Gleichgültigkeit, des Hohns und der Ablehnung erwehren. Teils zurecht, weil ich am Anfang auch echt schlecht war. Der Kopf wollte in die richtige Richtung, aber ich konnte es nicht umsetzen. Ich hatte keine Bühnenerfahrung usw. Das hat auf den ersten Platten manieriert gewirkt. Am Anfang entsprach die Musik vielleicht nicht dem aktuellen Zeitgeschmack, aber sie war auch nicht ausgereift.

Warum hat sich der Geschmack gerändert? Liegt es auch an einer neuen Generation deutschsprachiger Songwriter, die dich zum Vorbild erkoren und eine neue Selbstverständlichkeit des Dialektpops erzwangen?
Beim Nino (aus Wien, Anm.) weiß ich, dass er sich auf mich bezieht. Andere Leute wurden durch mich sicherlich ermutigt. Einige haben auch von mir gefladert. Aber es passiert gerade viel, und es gibt auch viele Leute, die mit etwas wirklich eigenem daherkommen. Was die konstanten Singer-Songwriter ausmacht – egal ob gut oder schlecht – ist ja, dass sie es machen müssen innerlich. Dann haben sie auch eine Relevanz. Das spürt man. Und selbst wenn man es nicht mag, nimmt man es zur Kenntnis. Für Leute wie den Marco (Wanda, Anm.) zum Beispiel freue ich mich total. Die haben ihr Ding ausgebrütet und finden jetzt Gott sei Dank Gehör. Es ist ja – und das darf man bei aller Euphorie nicht vergessen – immer noch schwierig. Leben können bei weitem nicht alle davon. In den 1970er und 1980er Jahren konnte man jeden Scheiß mit österreichischem Dialekt rausbringen. Du wurdest von Ö3 gespielt und hattest Publikum. Versteh mich nicht falsch, es gab darunter auch schöne Lieder. Aber es war unheimlich viel Scheiß dabei, das war die Realität. Bei mir gab es eine Zessur, als meine erste Platte fertig war. Eine Sony Major Produktion. Die Band hieß: Teufel und der Rest der Götter. Die einzige Marketingidee, die Sony dazu hatte, war, nachher zu Ö3 zu gehen und mich als Molden und meine neue Platte vorzustellen. Das war genau in der Woche, als Bogdan Roscic den deutschsprachigen Austropop auf ö3 abgeschafft hat. Kein Wunder, dass Sony dem Untergang geweiht war. (lacht) Manche sagen, es lag an mir und meiner Platte.

Du hast Deine Freundschaft zu Nino Mandl angesprochen. Was hat es damit auf sich? Ist er so etwas wie ein Seelenverwandter?
Ich fühl mich irrsinnig wohl mit ihm. Ich verstehe den Menschen einfach. Der Nino nimmt sich genau wie ich Zeit für seine Arbeit und seine Erklärungen. Es wird nicht gehudelt, und es werden keine Phrasen gedroschen. Als ich seine erste Platte hörte, dachte ich: Wahnsinn, der Typ ist erst 22 Jahre alt. Ich habe ihn dann gleich angerufen und vor ihm salutiert. Das hat ihn sehr gefreut.

Du bringst nächstes Jahr gemeinsam mit ihm eine Platte heraus?
Ja. Unser Projekt für 2015 ist schon fertig aufgenommen. Nino und ich haben zu zweit, nur mit Gitarren, unsere 12 Lieblings-Austropop-Songs aufgenommen. Von Hirsch, Danzer, usw. Das Album wird am Freitag, dem 13. März, erscheinen und in der großen Arena-Halle präsentiert. Nur wir zwei mit Gitarren. Als ich so fünfzehn, sechzehn Jahre alt war, waren Ambros und Danzer einfach noch echt gut. Frisch und heiß. Für den Nino hat das, so siebzehn bis achtzehn Jahre später schon eher einen Retro-Touch. Er kannte Austropop eher durch seine Eltern. Unsere gemeinsame Platte wird heißen: „Unser Österreich“. Ich bin schon sehr gespannt, wie sie aufgenommen wird.

Und gibt es auch Solo-Pläne?
Acht neue Songs sind fertig und zehn in der Pfanne. Jeder dieser Songs geht aber in eine andere Richtung. Das ist problematisch für eine Platte. Ich muss daher noch einen Sound finden. Möglicherweise wird es wieder ein Album mit voller Band geben, denn neulich habe ich mit der Band im Rabenhof gespielt, und das hat mir soundmäßig schon sehr großen Spaß gemacht.

Nicht zu vergessen deinen aktuellen Sampler „Regn en Wien“.
Walter Gröbchen wollte eine Best Of-Platte mit eine Auswahl von Songs aus den letzten Jahren machen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich mich dafür schon „reif“ fühle bzw. könnte ich mich nicht wirklich für spezielle Songs und gegen andere entscheiden. Das sind doch alles meine Kinder, warum also sollten nur manche auf die Party dürfen? Mein Vorschlag war daher, dass das Robert Rotifer macht. Er soll es aussuchen, rausgeben und kommentieren. Und so geschah es. Es ist seine Auswahl, die neulich herausgekommen ist. Als 24. und letzte Nummer ist darauf „Die schwarze Tramway“ zu hören, einer meiner neuen Songs als Demo.

Auf deinem letzten Album ist neben Walther Soyka und Hannes Wirth auch Willi Resetarits zu hören. Zum Ostbahnkurti hattest du eine ganz besondere Beziehung, oder?
Das war der einzige für mich, der, was Austropop betrifft, immer drüber gestanden ist. Ich war ein früher Kurti-Fan, Ende der 1980er, Anfang 1990er zu Chefpartie-Zeiten. Als er noch in Schutzhäusern und nicht in Hallen spielte.

Was war es, das die Faszination für dich ausmachte?
Es war echt gut gespielter Rock n Roll, und er ist einfach ein super Gitarrist. Er vermochte es, alle seine Zuhörer, egal wen und woher er kam, total glücklich zu machen. Diese Figur des Ostbahnkurti konnte das. Sie vereinte das Wienerische mit Rock n Roll und Humor mit Stadtkenntnis, so genannter Streetwisdom. Das hatte Kurti alles für mich, und das hat mich natürlich beeinflusst.

Wie war es, für Resetarits zu schreiben?
Ich war ein Fan von Willi und habe ihn verehrt. Er ist der letzte österreichische Superstar für mich. Und dieser Superstar wollte plötzlich ein Lied von mir haben. Da gab es alle diese Lieder, die ja mittlerweile österreichisches Kulturgut sind. Was sollte ich dem hinzufügen? Was für ein Lied sollte ich für diesen Säulenheiligen schreiben, bitte? Ich habe angefangen nachzudenken und versucht meinen Dialekt wieder zu finden. Und da kam ich auf die Hammerschmidgasse, weil dort habe ich ihn gelernt, meinen Dialekt. Das war mein erster wienerischer Song. Dann kam noch einer und noch einer, und dann haben wir mit gemeinsam mit Hannes eine Band gegründet,

Auf dem letzten Album „Ho Rugg“ mit Resetarits, Wirth und Soyka ist ein Foto von euch, das euch locker lachend beieinander sitzend zeigt. Gestellt oder echt?
Echt. Das spiegelt ganz gut die Lockerheit wieder, die wir beim Aufnehmen hatten. Die Fotos zeigen das. Die ersten Bilder entstanden, als wir rauchend und Bier trinkend, vor der Cselley Mühle Pause gemacht haben.

Bist du oft in Cafes wie diesem hier, um Songtexte zu schreiben?
Ich habe mir angewöhnt, am liebsten draußen zu schreiben, was natürlich jetzt im Winter immer schwieriger wird. Aber von Ende März bis Ende November mache ich das so. Ich fahre mit dem Rad wo hin, manchmal in den Prater, manchmal in den Wiener Wald, habe meine Bücher und eine kleine Gitarre dabei und bin draußen. Früher einmal war ich leidenschaftlicher Kaffeehausliterat.

Schreiben ist kein 9 to 5-Job. Musst du dich zusammenreißen, um Struktur zu bewahren?
Nein, ich bin so. Ich bin in diesem Job angekommen, in der Vollzeitlandwirtschaft. Ich habe kein Handy. Ich habe zwar einen Computer, aber ich verwende ihn nicht. Ich bin kein Verweigerer, aber ich treibe mich eben herum, und in diesen Zeiten soll keiner wissen wo ich bin, und mich unterbrechen können. Das höchste Gut, das man hat, ist seine Ungestörtheit. Meine Frau weiß ja trotzdem, wo ich bin, und eine Telefonzelle lässt sicher auch immer finden, um sie anzurufen, dass alles OK ist. Es gibt für mich einfach keinen Grund, permanent erreichbar sein zu müssen. Und toll daran ist auch: Ich bin der einzige Mensch, der immer pünktlich ist, weil ich nicht anrufen kann, um zu sagen, dass ich mich verspäte.

In deiner Kurier-Kolumne wolltest du immer möglichst unpolitisch sein, d.h. dich nicht in die Tagespolitik einmengen. Ganz ist es dir dann aber doch nicht gelungen. Würdest du dich als politischen Menschen bezeichnen?
Politik darf dann sein, wenn sie tiefen, persönlichen oder emotionalen Befindlichkeiten entspricht, finde ich. In meinen Liedern bin ich nicht politisch, ich vertrete nur meinen Standpunkt. Trotzdem ist ein Lokalkolorit möglich, der bei Spaziergängen oder Streifzügen entfacht. Deshalb bin ich aber noch lange nicht politisch. Ich würde nie schreiben: Wählt rot oder wählt grün! Das ist mir zu blöd. Mir ist es auch zu blöd, Themen abzuhandeln, die eh ununterbrochen bis zum Kleinststaub zerrieben werden.

Vielen Dank für das Gespräch.